Pressemitteilung 2/09
vom 27. April 2009
Für ein vorwärts, nicht rückwärts gerichtetes
Urheberrecht
Kurzfassung:
Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und
Wissenschaft hat mit Bedauern und Sorge zur Kenntnis genommen, dass die
für die Heidelberger Erklärung Verantwortlichen (Referenz dazu am
Ende) ihre verantwortungslose Kampagne fortsetzen und sich nun auch direkt an
die Bundeskanzlerin gewandt haben, damit diese sich für
Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte (so im Titel
der Erklärung) einsetze.
Ein solcher Appell wäre an sich sicher in Ordnung, wenn nicht, so der
Sprecher des Aktionsbündnisses Prof. Rainer Kuhlen, in der Heidelberger
Erklärung ein rückwärts gerichtetes und pur individualistisches
Verständnis von Freiheit und Rechten deutlich würde, das an den
rechts-konservativen Bund Freiheit der Wissenschaft aus den 70er Jahren
erinnert.
Das Aktionsbündnis hat sich durch diesen Vorstoß der
Heidelberger veranlasst gesehen, sich ebenfalls an die
Bundeskanzlerin zu wenden, damit die Heidelberger Erklärung nicht weiteren
politischen Schaden für Bildung und Wissenschaft anrichtet. Das
Aktionsbündnis hat dabei auch die Kanzlerin daran erinnert, dass sich die
Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung das Ziel eines
wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts vorgenommen hat. Das ist bislang leider
nicht erreicht.
Hintergrund:
Es ist unverkennbar, dass die Heidelberger Erklärung darauf abzielt, das
bestehende Urheberrecht weiter zu stärken. Dieses Urheberrecht, zusammen
mit den derzeit dominierenden kommerziellen Publikationsformen, ist jedoch
extrem bildungs- und wissenschaftsunfreundlich.
Es ist offensichtlich, dass die Heidelberger Initiative im Zusammenhang der
Kampagnen der Verlagswirtschaft (des Börsenvereins) zu sehen ist, die nicht
zuletzt darauf abzielen, die beginnende Debatte um ein neues Urheberrecht (auch
im Dritten Korb) in eine defensive besitzstandswahrende Richtung zugunsten der
Verlagswirtschaft zu lenken. Nicht umsonst haben weit über 200 Vertreter
der Verlage diese Erklärung unterschrieben. Bedauerlicherweise ist den
Nicht-Verlags-Unterzeichnern, vor allem denen aus der Wissenschaft, dieser
Zusammenhang offenbar nicht deutlich geworden.
Das Aktionsbündnis bedauert es, dass die Initiatoren der Heidelberger
versuchen, die aus der Wissenschaft selber entstandene und von den
Wissenschaftsorganisationen unterstützte Open-Access-Bewegung als
Enteignung der Kreativen und Bedrohung der Publikationsfreiheit zu diffamieren.
Der Sprecher des Aktionsbündnisses bedauerte es ebenfalls wenn sich durch
die Heidelberger Erklärung, mit der Unterstützung der
Verlagswirtschaft, eine längst als überwunden geglaubte Kluft zwischen
den Geisteswissenschaften - und allen anderen Wissenschaften neu auftun sollte.
Die Erklärung haben aus der Wissenschaft, neben wenigen Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlern, fast ausschließlich Geisteswissenschaftler/innen
im weiteren Sinne unterschrieben.
Ungehinderten Zugang zur publizierten Literatur zu haben, ist aber unabdingbar
für alle Wissenschaftler/innen, Lehrende und Auszubildende. Das Beharren
auf Rechten, die heute eher die Rechte der Verwerter als die der Autoren sind,
ist für Bildung und Wissenschaft kontraproduktiv. Bildung und Wissenschaft
brauchen neue Organisationsformen für den Umgang mit Wissen und Information
Die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen hatte sich schon in einer
gemeinsamen Erklärung vom 25. 3.2009 eindeutig gegen die Unterstellungen in
der Heidelberger Erklärung gewendet, dass sie mit ihrer Unterstützung
von Open-Access-Publikationsformen &132;weitreichende Eingriffe in die Presse-
und Publikationsfreiheit [propagiert], deren Folgen grundgesetzwidrig
wären.
Das Aktionsbündnis möchte ebenso deutlich klarstellen, dass Freiheit
von Literatur, Kunst und Wissenschaft unbestritten ein hohes und vom
Aktionsbündnis stets verteidigtes Gut ist. Dazu gehören auch die im
Urheberrecht garantierten Persönlichkeitsrechte der Kreativen.
Entschließt sich der Wissenschaftler zum Publizieren seines Wissens, zumal
wenn die Produktion dieses Wissens mit öffentlichen Mitteln finanziert bzw.
unterstützt wurde, hat jedoch die Öffentlichkeit das Recht, zu diesem
Wissen freizügigen Zugang zu erhalten. Dieses Ziel soll durch Open Access
erreicht werden.
Das Aktionsbündnis unterstützt alle Anstrengungen, Open Access zum
einen mit dem Urheberrecht, zum andern mit den Publikationsmodellen der
Verlagswirtschaft kompatibel zu machen. Das Recht der Urheber in Bildung und
Wissenschaft, mit Verlagen Verträge zur Publikation ihrer Werke
abzuschließen, ist ein nicht bezweifeltes Recht. Jedoch sollten dazu nur
einfache Nutzungsrechte vergeben werden. Die exklusive kommerzielle
Verfügung über das mit öffentlichen Mitteln produzierte Wissen
ist nicht länger hinzunehmen.
Wenn die Verlagswirtschaft durch die parallele Open-Access-Bereitstellung kein
kommerzielles Betätigungsfeld mehr erkennen sollte, dann müssen
Bildung und Wissenschaft, z.B. zusammen mit den Bibliotheken und den
wissenschaftlichen Gesellschaften, die Aufgabe der öffentlichen
Bereitstellung des mit öffentlichen Mitteln produzierten Wissens selber
übernehmen. Das muss aber nicht Realität werden. Das
Aktionsbündnis sieht im Open-Access-Paradigma auch die Zukunft der Verlage.
Das Aktionsbündnis sieht, ebenso wie die Allianz der
Wissenschaftsorganisationen, die besondere Situation von Bildung und
Wissenschaft. Die hier geführten Debatten und Forderungen, auch
bezüglich der Sozialpflichtigkeit von geistigem Eigentum, können
sicherlich nicht in jeder Hinsicht auf andere Bereiche der Wissensproduktion auf
den Publikumsmärkten (Musik, Kunst, Filme, Spiele, Belletristik,?)
übertragen werden, auch wenn auch hier der Anspruch der Öffentlichkeit, auf
diese Kulturgüter, z.B. über öffentliche Einrichtungen wie
Bibliotheken, Archive, Museen, frei zugreifen zu können, erhalten bleiben
muss.
Das Aktionsbündnis fordert alle Unterzeichner der Heidelberger
Erklärung, aber auch alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus
allen Disziplinen auf, sich nicht durch eine vermeintliche Solidarität mit
den Verlagen fremd bestimmen zu lassen. Publikationsfreiheit und die
Wahrung der Urheberrechte sollten sie sich nicht von der Wirtschaft
vertreten lassen.
Referenzen:
Heidelberger Erklärung Für Publikationsfreiheit und die Wahrung
der Urheberrechte (http://www.textkritik.de/urheberrecht/index.htm)
Pressemitteilung des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung
und Wissenschaft vom 25. März 2009 (http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0109.html)
Open Access: Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen vom 25.
März 2009 - Open Access und Urheberrecht: Kein Eingriff in die
Publikationsfreiheit (http://www.helmholtz.de/aktuelles/pressemitteilungen/artikel/detail/gemeinsame_erklaerung_der_wissenschaftsorganisationen/)
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft
Das Aktionsbündnis ,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
(http://www.urheberrechtsbuendnis.de/) wurde 2004 im Zusammenhang mit
der Novellierung der Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland
gegründet. Das Aktionsbündnis setzt sich für ein ausgewogenes
Urheberrecht ein und fordert für alle, die zum Zweck von Bildung und
Wissenschaft im öffentlichen Raum tätig sind, den freien Zugang zur
weltweiten Information zu jeder Zeit von jedem Ort. Grundlage des
Aktionsbündnisses ist die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für
Bildung und Wissenschaft vom 5. Juli 2004. Diese Erklärung wurde
unterzeichnet von sechs Mitgliedern der Allianz der
Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der
angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher
Forschungszentren e.V., Hochschulrektorenkonferenz,
Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm
Leibniz e.V. und Wissenschaftsrat), von über 365 wissenschaftlichen
Fachgesellschaften, Informationseinrichtungen und Verbänden sowie von
mehr als 7.000 Einzelpersönlichkeiten. Sprecher des Aktionsbündnis sind
Prof. Dr. Kuhlen (Konstanz), Dr. Müller (Heidelberg), Dr. Sepp
(Kassel). Weitere Informationen über Nachfrage an: rainer.kuhlen at
uni-konstanz.de, hmueller at mpil.de und sepp at physik.uni-kassel.de.
|
Next Relevant Dates |
6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
|
News |
April 6th 2021
The coaltion of action takes a position on the "draft law to adapt copyright law to the requirements of the digital single market".
Opinion of April 6, 2021 on the Draft Law.
Opinion of Februar 22, 2021 on the Draft Law.
Opinion of November 6, 2020 on the Draft Bill.
|
October 7th 2020
Published by de Gruyter:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
|
February 28th 2018
UrhWissG comes into force — not a big progress, but greater legal certainty and some improvements
(Press Release)
|
November 20th 2017
All presentations given at our anual meeting on November 8, 2017 are available online:
(Presentations).
|
June 7th 2017
The copyright reform (UrhWissG) was passed — facilitation, but no reason to cheer
(Press Release)
|
June 26th 2017
An appeal to the German Bundestag: The UrhWissG has to be passed without restrictions within this legislative period.
The Coalition for Action calls on the two chairmen of the CDU/CSU and of the SPD, Volker Kauder and Thomas Oppermann,
to release the governmental draft for the German Copyright Act for the vote in the Bundestag, and then
we call the members of the Bundestag to eatablish the law without restrictions.
(Press Release)
|
May 22nd 2017
FAZ, you can not win this fight — distorted journalism in terms of copyright by publisher and managing director of FAZ newspaper
The action alliance criticizes the open letter of the editors and managing directors to the German Bundesrat of 12.5.2017 and of the 18.05.2017 to the deputies of the German Bundestag.
Through these letters the "makers" of the newspaper try to exert pressure on the legislature. This behavior can only be described as unusual and extremely dubious.
(Press Release)
|
May 10th 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Press Release).
|
April 27th 2017
Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Press Release)
|
February 14th 2017
We make you aware that on the website
www.publikationsfreiheit.de is being tried, to manipulate
the public and in particular the authors in education and science with incorrect claims in favor of
publishers' interests.
(Press Release).
|
January 24th 2017
The way has not yet come to an end — but the direction is right
The Coalition for Action sees in the draft bill for a "Copyright Law Knowledge Society Act —
UrhWissG" from the ministry for justice an important step in the direction of an education and science-friendly copyright law.
(Press Release)
|
December 21st 2016
The road to the One General Exception for Education and Research (ABWS) should now be free now & mdash; Go ahead, Minister Maas!
(Press Release).
|
December 15th 2016
KMK, VG Wort and HRK must finally create clarity
The joint press release of KMK, VG Wort and HRK from 9 December 2016 is a source of uncertainty and confusion in the universities.
What should actually be done with the electronic semester apprentices from 1 January 2017? Further is currently
deleted or placed texts invisible. There is a need for action!
(Press Release)
|
December 12th 2016
And they seem to still be able to move - KMK and VG-Wort. And the university rector conference (HRK) is now on board.
However, the transitional regulation from the beginning of 2017 is still unclear.
Debt to the present obvious disaster around the framework
contract to § 52a UrhG is ultimately the intolerable delay tactics of the policy.
(Press Release).
|
November 23rd 2016
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG has been published.
(Press Release)
|
November 16th 2016
Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(Letter).
|
older news is available from our archive |
Publications |
-
All presentations given at our anual meeting von November 8, 2017 are online available:
-
Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
-
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG
- Version: 22 November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder on our Current Demands
- Version: August 2015
-
Folder on a Comprehensive Copyright Clause in Support of Education and Science
- Version: August 2015
-
Folder on the Right for a Second Publication for Scientific Articles
- Version: July 2015
-
Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Compilation for the annual meeting on October 10, 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Evaluation of a survey and policy implications, September / October 2011
|
Relevant Links |
facebook page of the Coalition
IUWIS
project is developing a social networking for the topic of copyright in
education and research.
|
|
|