Pressemitteilung 3/06
vom 1. Februar 2006
,,Mensch werde wesentlich" - eine Nachlese zur Urheberrechtsanhörung vom
26. Januar 2006
Das Aktionsbündnis ,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" bedauert
es, dass sich auch nach der Anhörung zum Zweiten Gesetz zur Regelung des
Urheberrechts in der Informationsgesellschaft - ,,Zweiter Korb" vom
26.1.2006 wenig Chancen zeigen, ein ,,bildungs- und
wissenschaftsfreundliches Urheberrecht" auf den Weg zu bringen, wie es
sich die Regierung im Koalitionsvertrag vorgenommen hat.
Die kleinen Spielräume, die die neuen §§ 52b (Wiedergabe von Werken an
elektronischen Leseplätzen) und 53a (Kopienversand ) scheinbar eröffnen,
reichen wegen der dort formulierten starken Einschränkungen keineswegs
aus. Weiter macht Sorge, dass das Schicksal des 2003 neu in das
Urhebergesetz aufgenommenen § 52a - das ist die sogenannte
Wissenschaftsschranke - ungewiss ist. Passiert nichts, dann fällt § 52a
Ende 2006 ersatzlos weg, und Bildung und Wissenschaft können ihre
Investitionen in elektronische Semesterapparate und Wissensbanken für
Forschergruppen als Verlust abschreiben. Ob das dann ein Fall für die
Rechnungshöfe wird?
Dass Bildung und Wissenschaft kaum eine Rolle bei den Urhebergesetzen zu
spielen scheinen, liegt wohl weniger an dem Justizministerium selber,
das mehrfach Ansätze unternommen hat, Schranken zugunsten von Bildung
und Wissenschaft in das Urhebergesetz einzubringen. Sicher nicht in dem
Umfang, wie es selbst die entsprechende EU-Richtlinie von 2001 möglich
gemacht hätte und sicher nicht so, wie es den Bedürfnissen von Bildung
und Wissenschaft entsprechen müsste. Aber selbst die sehr
zurückhaltenden Vorhaben des BMJ werden regelmäßig von einer vereinten
Koalition der Verwerter-Lobbyisten angegriffen und mit einigem Erfolg
entsprechend ihren Interessen unschädlich gemacht oder ganz beseitigt.
Die Lobbyisten aus IT-Industrie/Bitkom, Informations-/Verlagswirtschaft
(Börsenverein), Verwertungsgesellschaften, ... - so uneinig sie
untereinander sind, so einig sind sie sich, dass ein freier Umgang mit
Wissen und Information auf keinen Fall in Frage kommen darf. Für sie,
das wurde bei der Anhörung überdeutlich, ist ausgemacht, dass
Informationsgesellschaft dadurch definiert ist, dass Wissen und
Information endgültig zur Ware geworden ist. Ebenso ist es für sie
ausgemacht, dass Anreize für Kreativität und zur Produktion neuen
Wissens (wozu Musik oder Filme genauso gehören wie Textprodukte) nur
über entsprechende Entgelte, also über monetäre Anerkennung gegeben
werden können. Entgelte, so die Meinung, sind nur über Verknappung des
Zugriffs und der Nutzung möglich. Das alles trifft für Bildung und
Wissenschaft nur sehr begrenzt zu.
Das Aktionsbündnis bedauert es sehr, dass vor allem der Börsenverein
keine Gelegenheit auslässt, um alle Versuche, das Urheberrecht mit den
elementaren Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft verträglich zu
machen, als verfassungswidrig und Kriminalität begünstigend zu
bekämpfen. Das gipfelte bei der Anhörung in dem Vorwurf des Justiziars
des Börsenvereins, das Aktionsbündnis wolle das Urheberrecht ganz
abschaffen. Das ist nichts als Polemik und fördert nicht die nötige
Zusammenarbeit der beim Publizieren beteiligten Akteure.
Auch das Aktionsbündnis will die Interessen der Forscher und
(Hochschul-)Lehrer, die ja auch Urheber sind, schützen und befördern.
Aber das Aktionsbündnis erinnert daran, dass das primäre Interesse in
Bildung und Wissenschaft darin besteht, dass ihr produziertes Wissen so
schnell und so freizügig wie möglich von möglichst vielen genutzt werden
kann. Für Wissenschaftler und Lehrer muss zudem sichergestellt
bleiben, dass auf sie als die Urheber neuer Wissensobjekte referenziert
wird.
Daher kann das Aktionsbündnis auch gut mit der bei der Anhörung stark
umstrittenen Streichung des Absatzes 4 von § 31 leben, der bislang zu
langwierigen Verhandlungen bei der Einführung bislang unbekannter
Nutzungsarten geführt hatte. Dessen Streichung wurde von den
Verwertungsgesellschaften und den Verbänden der Urheber selber als
,,kalte Enteignung" bezeichnet. Wissenschaftler begrüßen und unterstützen
jede neue mediale Form zur Verbreitung ihrer Erkenntnisse. Dass die
Verleger dabei in die Pflicht genommen werden müssen, sich mit den
Urhebern auf die Bedingungen der neuen Verwertung zu einigen (also auf
das "wie", nicht auf das "ob"), muss das Urhebervertragsrecht regeln.
Gravierender sind für das Aktionsbündnis vor allem die Einschränkungen
im § 52a, die Forscher, Lehrer und Studierende quasi ins Steinzeitalter
der Informationsarbeit zurückwerfen. Obgleich Hochschulen über
ausgebaute Netze verfügen und die meisten Mitglieder von Hochschulen über
Rechner/Laptops verfügen, sollen diese nicht verwendet werden dürfen,
wenn es um den Zugriff auf die in der Bibliothek vorhandene Information
geht. Das soll nur an speziell dafür eingerichteten Arbeitsplätzen in
der Bibliothek möglich sein. Weitere vorgesehene Einschränkungen
behindern die politisch an sich geforderten gemeinsamen Projekte von
Wissenschaft und Wirtschaft.
Geradezu katastrophal würde sich auswirken, wenn über den neu
vorgesehenen § 53a letztlich der elektronische Dokumentlieferdienst der
Bibliotheken (subito), der mit erheblichen Mitteln des BMBF und mit
großer Nutzerakzeptanz aufgebaut wurde, abgeschafft werden muss, weil
durch das Gesetz den Marktanbietern - das sind mit Blick auf die
Zeitschriften vor allem große internationale Konzerne - exklusive
Privilegien, ja Monopole auf die elektronische Dokumentlieferung
eingeräumt werden sollen. Das Aktionsbündnis sieht hier keinen
Handlungsbedarf zugunsten der Verlagswirtschaft, deren Vertreter
ohnehin erfolgreich dabei sind, attraktive Mehrwertdienste aufzubauen
und zu vermarkten. Dieser Markt muss nicht weiter geschützt werden.
Dr. Weis, der neue Chef im BMJ für das Urheberrecht, versuchte zu Beginn
der Anhörung die Teilnehmer auf das Motto "Mensch werde wesentlich" zu
verpflichten. Das Aktionsbündnis anerkennt natürlich, dass das
Urheberrecht in erster Linie dem Schutz der Urheber zu dienen hat
(faktisch dient es natürlich den Interessen der Verwerter) und nicht den
Nutzern von publiziertem Wissen in Bildung und Wissenschaft. Jedoch ist
ein Urheberrecht, das Bildung und Wissenschaft stranguliert und die
Potenziale der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien nur
unzureichend ausnutzen lässt, mit einer modernen Gesellschaft und mit
dem Innovationsbedarf der Wirtschaft nicht vereinbar. "Bildung und
Wissenschaft - Schlüssel zur Zukunft" - auch das steht im
Koalitionsvertrag und "Deutschlands Zukunft liegt in den Köpfen der
Menschen". Ohne freien Zugriff auf das publizierte Wissen der
Vergangenheit werden die Köpfe keine Zukunft entwerfen können.
Das Aktionsbündnis ,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
(http://www.urheberrechtsbuendnis.de/) wurde 2004 im Zusammenhang mit
der Novellierung der Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland gegründet.
Das Aktionsbündnis setzt sich für ein ausgewogenes Urheberrecht ein und
fordert für alle, die zum Zweck von Bildung und Wissenschaft im
öffentlichen Raum tätig sind, den freien Zugang zur weltweiten
Information zu jeder Zeit von jedem Ort. Grundlage des Aktionsbündnisses
ist die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und
Wissenschaft vom 5. Juli 2004. Diese Erklärung wurde unterzeichnet von
der Allianz der Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft zur
Förderung der angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft
Deutscher Forschungszentren e.V., Hochschulrektorenkonferenz,
Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm
Leibniz e.V. und Wissenschaftsrat), von 260 wissenschaftlichen
Fachgesellschaften, Informationseinrichtungen und Verbänden sowie von
mehr als 3600 Einzelpersönlichkeiten. Sprecher des Aktionsbündnis sind
Prof. Kuhlen (Konstanz), Prof. Beger (Hamburg), Dr. Degkwitz (Cottbus).
Weitere Informationen über Nachfrage an: rainer.kuhlen at uni-konstanz.de,
beger at sub.uni-hamburg.de und degkwitz at tu-cottbus.de
Impressum
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
c/o Universität Konstanz
Postfach D-87
D-78457 Konstanz
Tel +49-(0) 7531-88-2879 Fax +49-(0) 7531-88-2048
rainer.kuhlen at uni-konstanz.de www.urheberrechtsbuendnis.de
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Next Relevant Dates |
6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
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News |
April 6th 2021
The coaltion of action takes a position on the "draft law to adapt copyright law to the requirements of the digital single market".
Opinion of April 6, 2021 on the Draft Law.
Opinion of Februar 22, 2021 on the Draft Law.
Opinion of November 6, 2020 on the Draft Bill.
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October 7th 2020
Published by de Gruyter:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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February 28th 2018
UrhWissG comes into force — not a big progress, but greater legal certainty and some improvements
(Press Release)
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November 20th 2017
All presentations given at our anual meeting on November 8, 2017 are available online:
(Presentations).
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June 7th 2017
The copyright reform (UrhWissG) was passed — facilitation, but no reason to cheer
(Press Release)
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June 26th 2017
An appeal to the German Bundestag: The UrhWissG has to be passed without restrictions within this legislative period.
The Coalition for Action calls on the two chairmen of the CDU/CSU and of the SPD, Volker Kauder and Thomas Oppermann,
to release the governmental draft for the German Copyright Act for the vote in the Bundestag, and then
we call the members of the Bundestag to eatablish the law without restrictions.
(Press Release)
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May 22nd 2017
FAZ, you can not win this fight — distorted journalism in terms of copyright by publisher and managing director of FAZ newspaper
The action alliance criticizes the open letter of the editors and managing directors to the German Bundesrat of 12.5.2017 and of the 18.05.2017 to the deputies of the German Bundestag.
Through these letters the "makers" of the newspaper try to exert pressure on the legislature. This behavior can only be described as unusual and extremely dubious.
(Press Release)
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May 10th 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Press Release).
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April 27th 2017
Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Press Release)
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February 14th 2017
We make you aware that on the website
www.publikationsfreiheit.de is being tried, to manipulate
the public and in particular the authors in education and science with incorrect claims in favor of
publishers' interests.
(Press Release).
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January 24th 2017
The way has not yet come to an end — but the direction is right
The Coalition for Action sees in the draft bill for a "Copyright Law Knowledge Society Act —
UrhWissG" from the ministry for justice an important step in the direction of an education and science-friendly copyright law.
(Press Release)
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December 21st 2016
The road to the One General Exception for Education and Research (ABWS) should now be free now & mdash; Go ahead, Minister Maas!
(Press Release).
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December 15th 2016
KMK, VG Wort and HRK must finally create clarity
The joint press release of KMK, VG Wort and HRK from 9 December 2016 is a source of uncertainty and confusion in the universities.
What should actually be done with the electronic semester apprentices from 1 January 2017? Further is currently
deleted or placed texts invisible. There is a need for action!
(Press Release)
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December 12th 2016
And they seem to still be able to move - KMK and VG-Wort. And the university rector conference (HRK) is now on board.
However, the transitional regulation from the beginning of 2017 is still unclear.
Debt to the present obvious disaster around the framework
contract to § 52a UrhG is ultimately the intolerable delay tactics of the policy.
(Press Release).
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November 23rd 2016
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG has been published.
(Press Release)
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November 16th 2016
Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(Letter).
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older news is available from our archive |
Publications |
-
All presentations given at our anual meeting von November 8, 2017 are online available:
-
Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
-
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG
- Version: 22 November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder on our Current Demands
- Version: August 2015
-
Folder on a Comprehensive Copyright Clause in Support of Education and Science
- Version: August 2015
-
Folder on the Right for a Second Publication for Scientific Articles
- Version: July 2015
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Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Compilation for the annual meeting on October 10, 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Evaluation of a survey and policy implications, September / October 2011
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Relevant Links |
facebook page of the Coalition
IUWIS
project is developing a social networking for the topic of copyright in
education and research.
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