Pressemitteilung 16/06
vom 30. Oktober 2006
Das Urheberrecht darf nicht zu einem Privileg für die kommerzielle
Verwertung von Wissen werden - die Parlamentarier sind nun gefragt,
elektronische Steinzeit zu verhindern
Die parlamentarische Runde zur Novellierung des Urheberrechts steht
mit den Anhörungen im Rechtsausschuss des Bundestags unmittelbar
bevor. Vorgesehen sind der 8. und 20. November. Das Aktionsbündnis
,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" ist zunehmend besorgt,
dass die Politik, zumindest in den großen Parteien, dabei ist - ohne
den zahlreichen Einwänden Rechnung zu tragen - ein Urheberrecht zu
verabschieden, das fatale Folgen für die Leistungsfähigkeit von
Bildung und Wissenschaft haben wird.
Über diese Einschätzung der fatalen Konsequenzen sind sich auch die
Einrichtungen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen einig, die
zusammen mit über 5000 Fachgesellschaften und Einzelpersönlichkeiten
die Göttinger Erklärung unterschrieben haben (http://www.urheberrechtsbuendnis.de/), die die
Grundlage für das Aktionsbündnis ist. Es darf nicht sein, dass in
einer so wichtigen Angelegenheit gegen die Interessen und gegen die
vielfältigen kritischen Verlautbarungen aus Bildung und Wissenschaft
Politik und Recht gemacht wird.
Das Aktionsbündnis erinnert an die Äußerung der Bundeskanzlerin zu
ihrer Rechtfertigung der Gesundheitsreform, dass man kein Gesetz im
Interesse der Versicherungen, sondern im Interesse der Betroffenen
mache. Analog fordert das Aktionsbündnis, dass das Urheberrecht kein
Recht für die Verlagswirtschaft sein darf, sondern der Beförderung von
Kunst und Wissenschaft dienen soll. Das ist die ursprüngliche
Rechtfertigung für die den Urhebern verliehenen Privilegien.
Von Förderung von Bildung und Wissenschaft oder Kunst kann jetzt keine
Rede sein, wenn Wissenschaftler, Lehrende und Auszubildende aus
kleinlichen kommerziellen Schutzinteressen daran gehindert werden,
sich über ihre Bibliotheken unter Ausnutzung der flächendeckend
vorhandenen technologischen Ausstattung (Rechner, campusweite Netze)
freizügig mit der für ihre Arbeit unverzichtbaren Information zu
versorgen. Das sollte an sich durch einen neuen § 52b UrhG-E [1]
geregelt werden. Der hat aber jetzt so viele Einschränkungen, dass er
für Bildung und Wissenschaft vollkommen unbrauchbar ist.
Gleiches gilt für andere Paragraphen, wie z.B. § 53a UrhG-E [1], nach
dem die Auslieferung von elektronischen Dokumenten den Bibliotheken
ganz untersagt sein soll, wenn der Markt diese Dokumente ebenfalls
anbietet. Bibliotheken sollen so wieder zu reinen Papier- und
Pappspeichern werden - elektronische Steinzeit! Und das durch ein
Gesetz ,,für die Informationsgesellschaft"!
Aus dem vorliegenden Regierungsentwurf ist deutlich erkennbar, dass
sich im Urheberrecht Verwerterinteressen gegenüber Urheber- und
Nutzerinteressen durchzusetzen sollen. So sollen Bildung und
Wissenschaft nach den Vorstellung des Börsenvereins für den Deutschen
Buchhandel im Urheberrecht zukünftig in einem Subsidiaritätsverhältnis
zu den kommerziellen Interessen der Verlage stehen Die Verlage streben
für das gesamte Urheberrecht eine zweistufige Regelung an: In den
einschlägigen Regelungen soll immer zuerst das Interesse der Verlage
geschützt werden, die Bedürfnisse von Autoren, Wissenschaft und
Bildung werden dem untergeordnet. Beim geplanten § 53a UrhG-E ist
dieses Prinzip bereits verwirklicht. Der kommerzielle Kopienversand
erhält den Vorzug vor dem an den Bedürfnissen von Bildung und
Wissenschaft orientierten Versanddienst von Bibliotheken Auch für den
§ 52b UrhG-E strebt der Börsenverein eine ähnliche Lösung an. Eine
Digitalisierung von Kulturgut und dann Bereitstellung für die Nutzer
dürfe erst dann erfolgen, wenn es kein kommerzielles Angebot von
Verlagen gibt.
Das Aktionsbündnis wendet sich strikt gegen dieses Verständnis von
Urheberrecht und der damit verbundenen fortschreitenden
Kommerzialisierung von Wissen und Information auch im Bildungs- und
Wissenschaftsbereich. Daher appelliert das Aktionsbündnis auch an die
Bibliotheksverbände sich nicht mit dem Börsenverein, wie es schon
einmal 2003 bei der Verabschiedung der Wissenschaftsschranke § 52a der
Fall war, auf Zugeständnisse einzulassen (wie die fatalen Bedingungen
in § 52b UrhG-E zu akzeptieren), die entgegen den Erwartungen,
entgegen dem Bedarf und entgegen dem Informationsverhalten ihrer
eigenen Klientel, nämlich Bildung und Wissenschaft, sind. Bildung und
Wissenschaft sind die primären Partner der Bibliotheken, nicht die
Verlage.
Die Argumente, Gutachten und Stellungnahme des Aktionsbündnis und der
der großen Wissenschaftsorganisationen liegen alle auf dem Tisch. Sie
werden auch bei den Anhörungen geltend gemacht werden. Wir fordern
unsere parlamentarischen Vertreter auf, mehr Mut zu zeigen, als ihn
bislang die Exekutive gezeigt hat. Parlamentarier müssen sich nicht
den obsoleten Vorgaben aus der EU und dem Lobbying der Verlags- und
Informationswirtschaft beugen und können von der Regierung
Nachbesserung fordern und ggfls. sogar den Konflikt mit der EU
herausfordern
Das Urheberrecht darf kein Recht für die Verlagswirtschaft mit
exklusiven Privilegien für die Verwertung werden. Es sollte wieder ein
Recht der Urheber werden, die, im Fall von Bildung und Wissenschaft
und Kunst, in jedem Fall auch gleichzeitig die Nutzer von publizierter
Information sind. Wissenschaftler wie Künstler können nicht ohne freie
Nutzung kreative Urheber sein oder, wie die Gesellschaft für
Informatik (GI) ihre kritische Stellungnahme zu der
Urheberrechtsnovellierung überschrieben hat: ,,Originale brauchen
Kopien". Ähnliches gilt für die Kunst und die Kunstfreiheit, wie die
Schweizer Künstler jetzt anläßlich der Reform des Urheberrechts in der
Schweiz angemahnt haben. Kunstfreiheit wie Wissenschaftsfreiheit ist
immer auch die Freiheit, bestehende Kunst und bestehendes Wissen
freizügig nutzen zu dürfen.
Urheber, Kreative werden durch das geplante Urheberrecht kaum
erweitert geschützt, teilweise sogar, z. B. bezüglich ihrer Rechten an
älteren Publikationen, entrechtet (Änderungen in § 31a UrhG [1]) und in ihren
Einnahmen durch drohende Senkung der Pauschalabgaben geschmälert.
Die deutsche Informationsgesellschaft ist am Scheideweg: Das Parlament
entscheidet darüber, ob in Deutschland die Potenziale der
Informations- und Kommunikationstechnologien zur Beförderung von
Wissen, Ideen, Erfindungen als Grundlage für Innovationen genutzt
werden können oder ob kleinliche Schutz-, Restriktions- und
Verknappungsvorschriften Wissen und Information zum Spielball
kommerzieller Verwertungsinteressen machen, die mit den Urhebern
selber - erst recht nicht mit den Nutzern - kaum noch etwas zu zu tun
haben.
Wir fordern jeden Bürger und jede Bürgerin auf, sich an ihre
Abgeordneten des Bundestags zu wenden, damit diese die fatale
Urheberrechtsnovellierung zumindest teilweise noch korrigieren können.
Unterstützung dabei kann das Aktionsbündnis jedem geben. So wie jede/r
die Ziele des Aktionsbündnis durch Unterzeichnung der Göttinger
Erklärung unterstützen kann (http://www.urheberrechtsbuendnis.de/).
Rainer Kuhlen
Sprecher des Aktionsbündnis ,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
Das Aktionsbündnis ,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
(http://www.urheberrechtsbuendnis.de/) wurde 2004 im Zusammenhang mit
der Novellierung der Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland
gegründet. Das Aktionsbündnis setzt sich für ein ausgewogenes
Urheberrecht ein und fordert für alle, die zum Zweck von Bildung und
Wissenschaft im öffentlichen Raum tätig sind, den freien Zugang zur
weltweiten Information zu jeder Zeit von jedem Ort. Grundlage des
Aktionsbündnisses ist die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für
Bildung und Wissenschaft vom 5. Juli 2004. Diese Erklärung wurde
unterzeichnet von sechs Mitgliedern der Allianz der
Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der
angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher
Forschungszentren e.V., Hochschulrektorenkonferenz,
Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm
Leibniz e.V. und Wissenschaftsrat), von über 300 wissenschaftlichen
Fachgesellschaften, Informationseinrichtungen und Verbänden sowie von
mehr als 4.800 Einzelpersönlichkeiten. Sprecher des Aktionsbündnis sind
Prof. Kuhlen (Konstanz), Prof. Beger (Hamburg), Dr. Degkwitz
(Cottbus). Weitere Informationen über Nachfrage an: rainer.kuhlen at
uni-konstanz.de, beger at sub.uni-hamburg.de und degkwitz at
tu-cottbus.de
Impressum
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
c/o Universität Konstanz
Postfach D-87
D-78457 Konstanz
Tel +49-(0) 7531-88-2879 Fax +49-(0) 7531-88-2048
rainer.kuhlen at uni-konstanz.de www.urheberrechtsbuendnis.de
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Next Relevant Dates |
6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
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News |
April 6th 2021
The coaltion of action takes a position on the "draft law to adapt copyright law to the requirements of the digital single market".
Opinion of April 6, 2021 on the Draft Law.
Opinion of Februar 22, 2021 on the Draft Law.
Opinion of November 6, 2020 on the Draft Bill.
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October 7th 2020
Published by de Gruyter:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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February 28th 2018
UrhWissG comes into force — not a big progress, but greater legal certainty and some improvements
(Press Release)
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November 20th 2017
All presentations given at our anual meeting on November 8, 2017 are available online:
(Presentations).
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June 7th 2017
The copyright reform (UrhWissG) was passed — facilitation, but no reason to cheer
(Press Release)
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June 26th 2017
An appeal to the German Bundestag: The UrhWissG has to be passed without restrictions within this legislative period.
The Coalition for Action calls on the two chairmen of the CDU/CSU and of the SPD, Volker Kauder and Thomas Oppermann,
to release the governmental draft for the German Copyright Act for the vote in the Bundestag, and then
we call the members of the Bundestag to eatablish the law without restrictions.
(Press Release)
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May 22nd 2017
FAZ, you can not win this fight — distorted journalism in terms of copyright by publisher and managing director of FAZ newspaper
The action alliance criticizes the open letter of the editors and managing directors to the German Bundesrat of 12.5.2017 and of the 18.05.2017 to the deputies of the German Bundestag.
Through these letters the "makers" of the newspaper try to exert pressure on the legislature. This behavior can only be described as unusual and extremely dubious.
(Press Release)
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May 10th 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Press Release).
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April 27th 2017
Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Press Release)
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February 14th 2017
We make you aware that on the website
www.publikationsfreiheit.de is being tried, to manipulate
the public and in particular the authors in education and science with incorrect claims in favor of
publishers' interests.
(Press Release).
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January 24th 2017
The way has not yet come to an end — but the direction is right
The Coalition for Action sees in the draft bill for a "Copyright Law Knowledge Society Act —
UrhWissG" from the ministry for justice an important step in the direction of an education and science-friendly copyright law.
(Press Release)
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December 21st 2016
The road to the One General Exception for Education and Research (ABWS) should now be free now & mdash; Go ahead, Minister Maas!
(Press Release).
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December 15th 2016
KMK, VG Wort and HRK must finally create clarity
The joint press release of KMK, VG Wort and HRK from 9 December 2016 is a source of uncertainty and confusion in the universities.
What should actually be done with the electronic semester apprentices from 1 January 2017? Further is currently
deleted or placed texts invisible. There is a need for action!
(Press Release)
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December 12th 2016
And they seem to still be able to move - KMK and VG-Wort. And the university rector conference (HRK) is now on board.
However, the transitional regulation from the beginning of 2017 is still unclear.
Debt to the present obvious disaster around the framework
contract to § 52a UrhG is ultimately the intolerable delay tactics of the policy.
(Press Release).
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November 23rd 2016
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG has been published.
(Press Release)
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November 16th 2016
Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(Letter).
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older news is available from our archive |
Publications |
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All presentations given at our anual meeting von November 8, 2017 are online available:
-
Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
-
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG
- Version: 22 November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder on our Current Demands
- Version: August 2015
-
Folder on a Comprehensive Copyright Clause in Support of Education and Science
- Version: August 2015
-
Folder on the Right for a Second Publication for Scientific Articles
- Version: July 2015
-
Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Compilation for the annual meeting on October 10, 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Evaluation of a survey and policy implications, September / October 2011
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Relevant Links |
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IUWIS
project is developing a social networking for the topic of copyright in
education and research.
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